Es war die Nacht vom 14. auf den 15.07.2021, die das Leben vieler Ahrtaler komplett veränderte. Es startete mit Dauerregen im kompletten Gebiet. Bei manchen mehr, bei manchen weniger. Doch dass dieser Regen solche Auswirkungen haben würde, ahnte an diesem Tag niemand.
In Lohrsdorf lief es wie folgt ab …
Gegen 21:00 Uhr drückte sich das Grundwasser in einigen Kellern bereits hoch und es wurde mit Pumpen und Eimern versucht, schlimmeres zu verhindern. Woher sollten wir auch wissen, was da noch auf uns zu kommt? Gegen 23:00 Uhr trat das Wasser auch aus Gullis aus und sprudelte hauptsächlich auf dem Bahnweg hoch. Mit Nachbarschaftshilfe und selbstgemachten Sandsäcken wurde versucht, das Eintreten des Wassers in die Häuser zu verhindern.
Um ca. 1:00 erreichte das Wasser schließlich auch die Sinziger Straße - allerdings nicht durch die Abflüsse oder Gullis. Nein, es kam über die Straße aus Heppingen - mit einer solch enormen Kraft, dass allen sofort klar war: da können wir nichts mehr gegen tun. Schnell liefen alle, denen es möglich war, in die 1. Etage. Manche konnten letzten Habseligkeiten aus dem Erdgeschoss oder Keller retten. Aber dann hieß es Mensch und Tier in Sicherheit zu bringen. Um 1:23 Uhr trat es in unser Haus in der Sinziger Straße 19 durch die Haustür ins Haus ein (dieses Haus liegt ca. 40 cm höher als die Straße).
Um nicht unnötig Handyakku zu vergeuden, machten wir keine weiteren Fotos von der Schreckensnacht. Wer weiß, wie weit es noch steigt, wie lange wir hier fest sitzen, ob wir evtl. noch einen Notruf absetzen müssen - das waren die vorherrschenden Gedanken.
Gegen 5:00 Uhr erreichte das Wasser seinen Höchststand. Es stand auf der Sinziger Straße ca. 1,50m hoch und zerstörte nicht nur Küchen, Bäder, Wohnzimmer der anliegenden Häuser sondern auch Autos, Motorräder, LKW´s. Wir hatten Glück im Unglück – die Anzahl der Bewohner Lohrsdorfs sollte sich in dieser Nacht nicht ändern. Alle Nachbarn überlebten dieses Ereignis körperlich mehr oder weniger unbeschadet.
Erst am späten Nachmittag des 15.07.2021 war das Wasser weg. Doch der Schlamm und die Zerstörung blieben. Schon morgens um 9:00 Uhr kamen die ersten Helfer um nach Familien und Freunden zu sehen - und gemeinsam dieser Katastrophe den Kampf anzusagen. Das große Aufräumen begann unmittelbar. Erst standen wir in den Kellern noch hüfthoch im braunen, verschlammten Wasser - unwissend, worauf man gerade tritt und was sich in dieser Masse und vor allem darunter befand. Im Gänseschritt versuchte man sich langsam vorzutasten, bei Nachbarn die man seit dem Vortag nicht mehr gesehen hatte zu klopfen um zu sehen, ob alles ok ist. Wir schauten auch nach den Häusern derjenigen, die über Nacht nicht da waren. Kann noch etwas gerettet werden, oder ist alles zerstört? Ein Überseecontainer wurde im Garten angeschwemmt, Mülltonnen, die teilweise einen weiten Weg hinter sich hatten, lagen auf Autos und Gärten verteilt.
Am 15.07.2021 gegen 16 Uhr machte sich dann die Horrornachricht breit, dass die Steinbachtalsperre gerissen sei und eine 7 Meter Flutwelle auf das Ahrtal zurollen soll. Panik! Die nötigsten Sachen wurden geistesgegenwärtig zusammen gepackt und dann nichts wie weg. Zu Fuß, teilweise barfuß oder in den Schuhen, die wir gerade so greifen konnten, machten wir uns los - die Kinder auf die Arme und weg. Wir liefen über die Brücke, die die einst so idyllischen Ahrufer verband, über die Umgehungsstraße. Währenddessen wurde es uns nochmal ganz real vor Augen geführt, was für eine Zerstörung hier herrscht. Die Hälfte der massiven Umgehungsstraße fehlte - nicht zu fassen. In Heimersheim stapelte sich das Leergut überall, teilweise über 3 Meter hoch vor Häusern, die dem Wasser im Weg standen. Strammen Schrittes gingen wir weiter bis nach Ehlingen und fragen uns: "Reicht das, müssen wir noch höher?"
Die nächsten Tage liefen wie im Film ab. Heute erinnert man sich nur bruchstückhaft denn man funktionierte und arbeitete wie eine Maschine. Abends, wenn man zur Ruhe kam, kamen die Tränen – das alles zu verarbeiten wird noch lange dauern, wenn man das Erlebte überhaupt verarbeiten kann. Eines wird mir aber ewig im Kopf bleiben: zu den vielen tausenden Helfern, denen wir unendlich dankbar sind, gesellten sich gleich zu Beginn auch Gaffer! Sonntagsfahrer, die mit ihren Cabriolets und weißen Turnschuhen & Poloshirts durchs Dorf fuhren, das Smartphone gezückt um Fotos und Videos zu machen. Vom Leid anderer, die Schlamm verschmiert vor ihrer Haustür sitzen - völlig fertig und unwissend, wo man als nächstes weiter machen soll. In dieser Situation hielten sie einfach drauf - die Stimmung war gereizt und es flogen auch Wasserflaschen. Wir sind immer noch fassungslos - wie kann man vom Leid anderer Videos machen und diese auf sozialen Netzwerken teilen? Um Klicks zu generieren? Wie ekelhaft ist das bitte?
Nach einigen Tagen schritt die Polizei ein und richtete Straßensperren & Kontrollen ein. Denn diese Gaffer behinderten auch die Aufräumarbeiten. Daraufhin kehrte etwas Ruhe in unser kleines Dorf ein. Doch nur für kurze Zeit, denn die Hauptverbindung des Ahrtals an die Rheinschiene musste natürlich frei bleiben.
Es wurde heiß, der Schlamm trocknete und jetzt war es Staub der uns unser Leben erschwerte. Giftiger, kontaminierter Staub – wir fingen an zu putzen – täglich – mehrmals täglich – stündlich – es half nichts kaum war das Putzwasser getrocknet, war der nächste Staub schon wieder da.
Kein Wasser, kein Strom, keine Heizung: Dieser Zustand wurde in den nächsten Tagen und Wochen der normale Alltag. Ratternde Aggregate, Hubschraubergeräusche, Sirenen, Hupen - das war unsere tägliche Geräuschkulisse. Und es sind Geräusche, die einen noch lange verfolgen werden. Auf der Arbeit, unserem ersten Schritt zurück in Richtung Alltag, musste man die Fenster schließen wenn ein Hubschrauber vorbei flog. Daheim hielten wir auch alle Fenster und Türen zu um Geräusche auszusperren, die einen triggern und wieder in diese prägende Zeit zurückversetzen. Regen, plätscherndes Wasser - auch das ist für uns seit der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 schwer einzuschätzen und zu ertragen.
Zu den ganzen Geräuschen kommen die Gerüche dieser Nacht und der Tage danach, die einem ein flaues Gefühl im Magen und sogar Übelkeit bescheren. Ein schwer zu beschreibendes Gemisch aus Feuchtigkeit, Schimmel, Öl, Benzin, Verwesung – ein Gestank der auch heute, nach über 10 Wochen, nach jedem Regen sofort wiederkehrt. Wenn auch nicht mehr so intensiv, aber er ist da…
Der Wiederaufbau ist in vollem Gange, parallel zu den kaputten Häusern, den Autos, welche nur noch als Totalschaden geborgen wurden, und den Spuren im Asphalt gilt es natürlich auch das öffentliche Leben wieder herzustellen. Das Dorfgemeinschaftshaus wird in den kommenden Tagen entkernt und muss dann erstmal trocknen. Der Spielplatz ist bereits von Unrat befreit worden. Nun muss er für unsere kleinsten Anwohner, unsere Kinder, wieder hergerichtet werden. Eine neue Schaukel muss her. Die Tore, die Rutsche sowie das Schwerkraft Spielgerät sind zwar noch intakt, allerdings muss auch hier ein neues Betonfundament gegossen werden um die Sicherheit zu gewährleisten. Die Zaunanlage wurde beschädigt und muss größtenteils neu gesetzt werden. Neuer Sand, neue Wiese … und wenn nach all dem noch etwas Geld übrig ist, würden sich die Kleinsten über ein neues Spielgerät freuen (was in der Anschaffung leider im 5 stelligen Bereich liegt). Den Eltern möchten wir gerne ein paar neue Sitzgelegenheiten bieten, damit auch sie auf dem Spielplatz etwas Erholung erfahren und abschalten können von den Arbeiten in den eigenen 4 Wänden.
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Katharina Brungs
Verwendungszweck: Spielplatz Lohrsdorf
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- jeder gespendete Euro kommt dem Spielplatz in den Auen in Lohrsdorf zu Gute.